| Pressselection 1995
Kreidler ließen in den vergangenen paar Düsseldorfer Jahren dem gesprochenen Wort einen erheblichen Raum. Man k&0uml;nnte sogar sagen, sie betrieben Spoken- Word-Dub. Ob mit oder ohne Turntables, immer stand der Vers im Raum. Wenn sie jetzt ganz unvermittelt auf ihrer ersten LP (im 12-Inch-mäßigen Outfit mit Guckloch im Cover) im rein Instrumentalen gelandet sind, dann einfach, weil ihre Musik eh schon dorthin wollte. An den Titeln liest sich noch eine Option auf zukünftiges &0uml;ffentliches Sprechen ab (»Die sexy Antwort auf beige«, »Anti-Car«), aber jetzt muß erstmal die Narkose des verbalen Geltungsdrangs (der natürlich in jedem &0uml;ffentlichen Sprechen mitspricht) andere, aufgel&0uml;stere Zustände gelten lassen. Daß die nicht immer nur linear vor sich hinblubbern müssen (auch wenn das seinen Reiz haben kann), haben Oval durchgespielt. Daß man das auch zwischen elektronischen und elektrischen Soundquellen variieren kann - die metrischen Verschiebungen, die einen Loop manchmal wie einen Flummi eine schiefe Ebene herunterdotzen lassen -, demonstrieren Kreidler betont unspektakulär nebenher. Natürlich ist Baß/Schlag zeug ein Grundparameter, der zum geraden Lauf ins metrische Empfinden neigt. Aber trotzdem ist das nicht mehr die leicht abgehangene Hintergrundmusik für unentschlossene Situationen (die es bei einem Liveauftritt der Band, den ich mal gesehen habe, noch zu sein schien). Das ist im rauschenden Grundton, im Mittendrin (und nicht im Nebenzimmer) angekommen. Jörg Heiser, Spex D 12-1995 KREIDLER fahrräder, die besseren mofas Kreidler das war ein schwäbischer Motorkonzern, der massgeblich zum Bild der Wiederaufbauzeit beitrug. und sich in den 70er Jahren, grosser Beliebtheit erfreute, wie Ilja Richter und Bonanza. Junge Menschen mit ungepflegten mittel- bis langen Haaren auf Kopf und Schulter prägten die Jugend jener jungen Menschen, die sich nach Kreidler benannten. aber aussehen, wie junge Menschen, die ihre Jugend in den 60ern verbrachten. Sie tragen Rollkragenpullover, Jackets und Hornbrillen ohne dabei etwas zu bereuen. Retro ist aber etwas, das blosses Unverständnis hervorruft - trotzdem ein schones Wort das momentan so klinat als habe man ansatzweise begritten, wielrends entstehen: Brandnew voure retro! Ganz abgesehen davon mogen sie Housemusik, was ja gerade bei Menschen unter 2l auf Unverstandnis stosst, und deswegen umsoweniger Retro, aber auf jeden Fall auch wieder ein Trend ist. Was letztlich zu der Frage führt, ob retrosein in Wirklichkeit Housemusik bedeutet? Nichtsdestotrotz kollidiert hier was ad konsequentum kollidieren muss und deswegen wissen wir ganz genau, wo wir sind: In Düsseldorf. Nicht nur hier ist das Kreidler-Gefährt von den Strassen verschwunden, sondern überall anders auch doch vielleicht geklingt es ihnen hier am alremeisten den damit verbundenen Mvthos zu rekultivieren, denn als Kreidler noch nicht Kreidler hiessen, nannte man sich "Deux Baleines Blanches" splelte auf sektbeschwipsten Akademieparties, organisierte Spoken Word Events und wusste as erstes. wann, wieso, weshalb und warum. Eine Basis ward geschaffen. Mit der Zeit wurde die Schrammelgitarre gegen einen fetten Bass getauscht. Dancefloor im Allgemeinen streifte seine kitschig -oberflächlichen Attribute ab, gewann zunehmend an Respekt und das anfängliche Experimentieren mit DJ Sport wurde zur innigen Beziehung: 1210er akzeptiert Bass-Schlagzeug-Synthesizer und umgekehrt. Die Mischung ist originär, der Sound roh, nicht festgelegt und nach allen Seiten offen, aber Immer schwer und psychedelisch, zieht sich wie ein frisch geschossenenes Ektoplasmatierchen. Der Fuss wippt mit. "und wenn wir ein Housestück machen würden, würde es nie wie ein Housestück klingen, sondern immer wie Kreidler-machen-ein-House Stück". Der Punkt sei gekommen, wo das erarbeitete Material danach schreit, recorded zu werden. Kurze Zeit vorher haben die Kastrierten Philosophen mit ihrem Souldier-Remix-Album zu begeistern gewusst, also ist es naheliegend, sich von Arfmann ins Knochenhaus einladen zu lassen . Das Resultat überzeugt, natürlich Arfmann-typisch-roh, und man stellte fest, dass selbst in Hamburg der Name Kreidler nicht mehr zum Alltag geh&0uml;rt. Macht aber nichts, denn in K&0uml;ln sieht das nicht anders aus, und doch erklärt sich das rührige Finlayson-Label bereit, die sieben Tracks auf 12" zu pressen und in ein fast neutrales Cover zu stecken, was zum Selberanstreichen animiert oder auch Platz für die Telefonnummern guter Freunde bietet.Maximale Freude an minimalem Aufwand, ein Prinzip, an dem sich Kreidler hätte orientieren sollen, und vielleicht noch heute auf dem ungerechten Markt der Motorradindustrie existierte. Tim Tetzner, Westzeit D 12-1995 Mit der Kreidler-Florett knatterte die Siebziger-Jahre-Jugend zum Knutschacker am Baggersee, heute ist das Mofa zum Zukunftsmobil geworden. Kreidler sind ein Quartet aus Düsseldorf, die mit Baß, Synthi, Schlagzeug und zwei Technics live gespieltes Techno-House-Dub-Zeugs machen, gelegentlich dazu Gedichte vorlesen und außerdem ein Diskurs- Fanzine herausgeben. Mit anderen Worten: Kreidler feat. DJ Sport sind ganz sch&0uml;n vorne. Wer auf ihr Gefährt aufspringen will, sollte sich ab 23 Uhr in die Volksbühne am Rosa- Luxemburg-Platz begeben. NN, Zitty, D 12-1995 Mise en Scène Sie legen sich nicht gerne fest: Bei aller Beredtheit zienen es Stefan Schneider und Andreas Reihse während des Gesprächs vor, ein Bild ihrer Gruppe Kreidler als ein fließendes Gleichgewicht zwischen den Fähigkeiten und Interessen der vier Mitglieder zu entwerfen. Nicht anders die Musik. Sie ist seit ein paar Wochen in Form einer Vinyl-only-EP erstmals außerhalb ihres Wohnorts Düsseldorf zu h&0uml;ren, eine Stadt, die lange Zeit eine Diaspora in Sachen Subkultur war. Auf der Basis ruhiger Grooves von andante bis moderato, vergleichbar mit der Aufl&0uml;sung von Objekt und Hintergrund im analytischen Kubismus, verschwinden die Konturen der Instrumente zugunsten von geheimnisvoll mäandernden Soundwellen. was ihnen mitunter Vergleiche mit TripHop eingebracht hat, natürlich zu Unrecht. Bewußt verzichtet die Band auf einen Sänger als m&0uml;glichen Fixpunkt, entwirft statt dessen Spannungsfelder, die sich über einzelne Loops. Samples oder Melodie- ansätze einprägen. »Nach den Konzerten kommen Leute und sagen: Das Keyboard hat sowas Sch&0uml;nes gespielt, aber leider nur einmal«, erzählt Stefan Schneider. Im deutlichen Gegensatz zu Ambient läßt die Musik aber noch konkrete Inhalte zu. So huldigt das neueste Stück »Kookai« (von einer Split-Single mit Superbilk auf dem Stuwardess-Label) nicht nur franz&0uml;sischer Mode, es erinnert an nächtliche Fahrten durch Düsseldorfs Innenstadt und den Effekt menschenleerer Geschäftspassagen. Andreas Reihse: »Es ist klar, daß die Vorstellungen, die du von deiner Stadt hast ihre Auswirkungen auf die Musik haben, so daß dann jemand, der Kreidler h&0uml;rt, Düsseldorf assoziiert« - oder Kraftwerk. Kreidler entstand 1994 infolge eines Zusammentreffens des Kunsthochschul-Pop-Trios Deux Baleines Blanches mit DJ Sport auf einer »Spoken Word Poetry«-Veranstaltung. Das erste Produkt der gemeinsamen Arbeit, das »Riva« erschien Ende '94. Einige Monate später erzielte dann ein an Matthias Arfmann gesandtes Tape den gewünschten Effekt. Man traf sich im Knochenhaus-Studio und produzierte die aktuelle EP (Finlavson/Semaphore), auf der die mittlerweile entstanden Balance innerhalb der Band gut dokumentiert wird. Dazu Stefan Schneider: »Im Vergleich zur Kassette wirkt auf der Platte das gesamte Instrumentenspektrum sehr komprimiert und mehr so dokumentarisch, auf das ie das Schlagzeug wurden viele Effekte gelegt, der Bass ist teilweise sehr sequenzerhaft gespielt. Die einzelnen Elemente der Band sind nicht mehr so deutlich identifizierbar.« Ein intensives Interesse an den lokalen. Musikszenen wurde nicht unwesentlich durch die Rezeption von Bands wie Neu, La Düsseldorf oder eben Kraftwerk andernorts gef&0uml;rdert. Solche musikalischen Bezugspunkte erhalten in Dusseldort einen weitaus alltäglicheren Rahmen wenn einem Emil Schult und Wolfgang Flür auch mal im Copyshop um die Ecke begegnen oder man in Klaus Dingers Studio aufnimmt. Ließen sich noch der Plan, Pyrolator und der mancher Hinsicht als A-Musik-Vorläufer geltende legendwere Heartbeat-Laden hinzufuegen, um dann auf eine Lücke von gut sieben Jahren zu treffen, die es unsinnig macht, nun die Fortführung einer »experimental-elektronischen Tradition« herbeizuschreiben. Kreidlers Selbstverständnis läßt sich eh knapper formulieren: Pop-Band - und das durchaus im Sinne von Paul-Smith-Kleidung-Tragen und im Tourwagen über die die Oualität bestimmter Blue-Rondo-à-la-Turk-Stücke sinnieren. Oliver Tepel, Spex D 11-1995 Die wahren Kreidler!!! Seit dem Newcomer-Platz 1994 (im dem Ecstasy Top 100-Countdown '94 damals von 0 auf 3) auf ewig ansteigender Erfolgsschiene. Andi Reihse (Ex- Shmul Goldberg) und Stefan Schneider formten 1994 aus der Asche der experimentellen Band Deux Baleines Blanches (von ihnen erschien auch ein Comic!) Kreidler und machten sie schnell durch spontane Auftritte im Q-Stall oder Arcari bekannt. Ihr eigener DJ Sport sorgt mit life-Performances fuer eine obskure Mischung aus dub, atonalitaet, breakbeats, core und mellow guitar sound, doch diese Beschreibung ist viel zu unzureichend, denn wer sie einmal gesehen hat, wird nie mehr Schubladen oeffnen; hier zeigt sich mal wieder, daß Mut zum Verflechten von scheinbaren Gegensaetzen sich positiv auswirkt. Bei einem Gastauftritt bei "Ecstasy TV" (zu beziehen ueber Clipper-das Videomagazin) mußten sie sich eine life-Entfuehrung gefallen lassen.Vermutlich arbeiteten sie auch deshalb an einer Coverversion von "Angst" von Fehlfarben. Sie traten u.a. auch schon mit Tocotronic auf.
Diskographie: Riva (C50, 1994) Kontakt: Andrea Auner, Hoffeldstraße Düsseldorf Nico Haupt, duesseldorf.heimat.de/netzkraut, D1995 ... top.
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