Pressselection 1997
Fechterin Re-Sport features, interviews Melody Maker, UK Conne Island Fechterin, 12" (Kiffsm) reviews charts YOU'RE cool, man. You're happy with Mouse on Mars and their sweet pop synthesis. You're in love with Daft Punk's techno lo-fi. You dig Panasonic's minimalist machine music. Of course you do! So you're ready for Kreidler. Let me rephrase that. You're gagging for Kreidler. The three songs on 'Fechterin' are the most precise exercises in exponential electronics since Kraftwerk's 'Hall of Mirrors', and just as danceable. Each one takes a limited vocabulary of noises and rearrange them over gradually shifting rhythmic patterns - sonic collages all. 'Shimmer' has close-milked crunching caterpillars, slowed down mosquitoes buzzing from speaker to speaker and speeded up Clangers. 'Shiver' shows they've been listening to the same BBC Radiophonic Workshop LP as Pram (the pink one from '67, in case you're interested). 'Objekt Metal' replaces the mosquitoes with helicopters and is interrupted by some patently unmetallic drums. By the end you're hard pressed to remember how it all began, and putting the needle back to the start - when did that bit come in? When did the rhythm double itself? - but you'll never find out, because you're immediately swept away by the simple pleasure of hearing a song. Who want's to listen? Mark Luffmann, Melody Maker, UK 21st July 1997 Kreidler - Fechterin, Turn on - EpFor me, these two releases have far more in common with jazz than any number of Kenny G soundalikes. They're going out on a limb, experimenting and, incidentally, they are doing it live. Free flowing melodic weirdness. I've no idea how they create the sounds that they do but this makes both records all the more endearing. Pete Reilly, Blues And Soul, UK 08 1997 Kreidler continue to amaze with their seamless merging of samples and live playing in deceptively straight forward structures. 'Shimmer' is built around a tick-tock electronic loop bolstered by a live rhythm section. 'Shiver' achieves a paradoxical organic plasticity with its monotonous but irresistible groove; and 'Objekt Metal' shifts from squeaky Electronica to dubbed up funk, before dissolving into abstraction.Tom Ridge, The Wire, UK 09 1997 Finally 3 Mixmaster Morris-ish electronic curiosities to space out to (but not relax) - 'Fechterin' by Kreidler and Waverider and Objectep's new EPs.Nick Spice, DJ, UK 07 1997 Three tracks with 'Shimmer' and 'Shiver' some excellent minimalism and 'Objekt Metal' being squeaky and strangely funky. Out there.JL, Magic Feet, UK 07 1997 START UP a four-four beat on a drum-machine, get a goat to hoof and random notes on a keyboard and your dad to play bass. Make sure it's all out of tune and 'wacky'.. Maybe that's how they make records in this lot's hometown of Düsseldorf, 'cos that's exactly what this sounds like.Jody Thompson, NME, UK 06 1997 (..) relativ sprunghafte, ungeordnete Ansammlungen elektronischer Spuren, die sich zu sehr auf einen gleichförmigen monotonen Rhythmus verlassen, und dadurch nie eine wirklich geschlossene Atmosphäre entwickeln.Thomas Kerpen, Ox-Fanzine, D 10 1997 ... top. Fechterin charts
Melody Maker - SINGLE of the WEEK Mark Luffman, Melody Maker, UK 21st July 1997 I've been listening to...(..) 19. Kreidler - Fechterin (..) Pete Reilly, Blues And Soul, UK 08 1997 DJ Buzzes(..) 18. Kreidler - Shimmer (..) Rob da Rank, Sunday Best - Scaramanga,, Update, UK 28.09.1997 The top 10 tracks flying out of Rub A Dub this week are:Duology - Ersatz Audio Bochum Welt - Ep V/A - From Beyond Drexciya - The Quest Deo - Technology Ep DMX Crew - Fressshh Chris Bowden - Hero Kreidler - Fechterin Paul W Teebrooke - Connections Jeff Mills - Our man from Havana Rub A Dub Recordstore, Glasgow, Record Mirror, UK 16th August 1997 ... top. Re-Sport, MiniLp,Cd (Stewardess) reviews Re-Sport reviews This is one band you really should watch out for in 1998, and unusually a good starting point would be this mini album of remixes by the likes of Pyrolator and Robert Lippok, which take Kreidler's electronic dub and bounce it around until new patterns fall out. None of the tracks appear in last years excellent 'Weekend' LP, so this stands as a new piece of work, and is a shining example of Germany's electronic pulse which - believe it or not - is not always indebted to Kraftwerk. NN, Single Reviews, Slow Issue 1, UK 1998 5 Remixe auf dem Vinyl, einer mehr noch, (von L@n), auf der CD. Robert Lippok macht ein sehr reduziertes Stück, das noch weniger an Kreidler erinnert als es To Roccoco Rot tun mag, und eher wie eine auf Minimalismus getunete Version von Oval klingt. Eine Handvoll Samples sehr angenehm stockend zubereitet. Eine Art von Reduktion, die Schule machen sollte, weil sie nicht nur, mit dem dazugehörigen Feingefühl, einfach zu machen wäre, sondern sehr erleichternd wirkt. L@n klingen mir auf ihrem Mix etwas zu stampigdubbig, auch wenn die Sounds ganz in dem von ihnen gewohnten Schluckaufstil gehalten sind. Aber Rhythmen waren, glaube ich, noch nie ihre Stärke. Ansonsten könnte man den Track durchaus für eine von überzeugten Fans einer ungroovigen ästhetik betriebene Verifikation des Red Planet Themas der Hymnen einer Verschachtelung von Mikro- und Makrokosmos im Rahmen der progressiv pulsierenden Galaxenevolutionstheorie halten. MMM haben gleich zwei Mixe bekommen. Slomoelektrodubworkouts, die sehr in die Tiefe der Rhythmik gehen, und es in ihrer erstickt Höhenlosen Art erstaunlich gut schaffen, eine Verbindung zwischen verhallenden Sounds und kantigen Sequenzen herzustellen. Musik, die durch nichts von ihren zwei Elementen ablenkt und grade in der Konzentration eine Spannung entwickeln kann, die sehr stark groovt. Der Pyrolator-Mix ist totaler behinderter Ethnoquatsch, das muß man leider so klar sagen. Insgesamt aber eine EP die man auf keinen Fall verpassen darf.*****bleed, de:Bug, D 08 1997 Das Problem mit dem Remix: wem was geben, damit es nicht nach taktischem Manöver oder Wichtigtuerei aussieht. KREIDLER haben sich da gut entschieden, auf ihrer ersten Remix-EP das Material ihrer '95er EP 'Sport' von Freunden und Bekannten bearbeiten zu lassen. Da treffen ähnliche Philosophien aufeinander, etwa was Minimalismus oder das Verstehen der eigenen Musik als Klangstrecke angeht. Hand anlegen durften Erik Wiegand (MMM), der mit 'Anti-Car' und 'Boccia' gleich zwei Tracks remixte, Kurt Dahlke a.k.a. PYROLATOR vom Düsseldorfer Kult-Label 'Ata Tak', Robert Lippok, der mit Stefan Schneider von KREIDLER bekanntlich als TO ROCOCO ROT zusammenarbeitet, und das Düsseldorfer Duo LAN. Bis auf den PYROLATOR-Remix groovt es dabei eher spärlich, weshalb man 'Resport' vielleicht am besten in Clubsituationen genießen kann.NN, intro, D 08 1997 KREIDLER aus Düsseldorf sind neben TO ROCOCO ROT und MOUSE ON MARS momentan die spannendsten Vertreter einer deutschen Elektronik-Begeisterung, abseits irgendwelcher Postrock-Bemühungen. Resport" ist ein Remix-Album mit insgesamt sechs Versionen von drei KREIDLER-Songs, u.a. bearbeitet von Robert Lippok (TO ROCOCO ROT) und PYROLATOR.Das sympathische an diesen Remixen ist, daß sie nie in unterkühlte, unangenehm synthetische Bereiche abdriften, selbst wenn der Bass das einzig wirklich wiedererkennbare Instrument bleibt. Auch in den extrem rhythmischen Bereichen des PYROLATOR-Mixes von Boccia" kommen nie Techno-Assoziationen auf, die eine reine Funktionalität der Musik vermuten liessen. "Resport" ist Musik von Menschen für Menschen, zwar abstrakt und von konventionellen Songschemata abgelöst, die aber dabei trotzdem ganz ähnliche, irgendwie vertraute Spannungen erzeugt. Die drei neuen Songs auf Fechterin" gehen natürlich in eine ähnliche Richtung, besitzen aber komischerweise nicht die Komplexität von Resport" und bleiben deshalb relativ sprunghafte, ungeordnete Ansammlungen elektronischer Spuren, die sich zu sehr auf einen gleichförmigen monotonen Rhythmus verlassen, und dadurch nie eine wirklich geschlossene Atmosphäre entwickeln. Thomas Kerpen, Ox-Fanzine, D 10 1997 Remixe kommen in erster Line aus der Düsseldorfer Elektronik Szene, die hier mit L@n, Pyrolator, Robert Lippok und Erik>MMM vertreten ist. Der Schwerpunkt liegt dementsprechend nicht bei zeitgenössischer, elektronischer Tanzmusik, auch wenn die Soundästhetik nicht unfern von Concept (Richie Hawtin +8 Projekt) oder Dynamo (Hardwax, Berlin Umfeld) liegt, man hier und dort mit Dub liebäugelt, sondern bei Musik die reagiert anstatt agiert und letztendlich schon fast beklemmend wirkt. überstrapaziert wirkt der reflektierte Moment in den Stücken bei Eric >>MMM und prompt macht sich eine starke 80 Jahre Stimmung breit, der man gerne anheimfällt. Pyrolator rast im NDW Tempo nach vorne und vermag eine Krautrock Aura zu installieren, die sich mit unpretenziösen '91 Break Beats paart und weitab von allen Trends, eine gewisse Zeitlosigkeit ausdrückt, die man wieder Trance nennen darf. Außen vor, stehen L@n, die sich deutlich zum Grooveaspekt und einem polyrythmischen Leben bekennen und mit ihrem nicht unbedingt besten Stück, noch für ein wenig Spaß sorgen. ****RRR, de:Bug, D 08 1997 ... top. features
KREIDLER
What's All This Then?
Why Kreidler?
Tell Us More...
Listen To It... Mark Luffmann, Melody Maker, UK July 1997
Nach anfänglichem Frust, daß dieses Jahr wohl die Highlights fehlen würden, schließlich dann doch die Feststellung, daß allein die Möglichkeit, auch dieses Jahr wieder die verschiedensten Leute in sinnvollen Kontexten zu sehen oder auch selbst zu erstellen, seinen eigenen Charme und Reiz behält.
Dieses Jahr boten sich zwei der interessanteren Bands nach der großen "Post", zum Austausch und Linien zu knüpfen zwischen Standortbestimmung und den ähnlich großen Fragezeichen nach Regionalität, Perfektionismus und nicht zuletzt dem Musikjournalismus, mit dem zumindest wir Fanzineschreiber (laut Detlef von Kreidler) dieser Messe ein wenig Sinn geben würden.
Die zwei "K"s, die ich diesen Sommer nicht selten hintereinander auf meinem Plattenteller hatte, scheinen zwar eine halbe Generation voneinander entfernt zu liegen - zumindest altersmäßig - aber Anknüpfpunkte zwischen beiden gibt es nicht nur zwischen den ähnlich genauen Arbeitsweisen, sondern auch durch die neu erscheinende Remixplatte von Kante, auf der ein Remix von zwei Kreidlermitgliedern sein wird, und nicht zuletzt durch Blumfeld bei denen Peter Thießen auch Baß spielt. Beide haben im letzten Jahr noch mehr gelernt hauszuhalten mit den eigenen Potentialen und Kräften, so daß auf beide auch zutrifft, daß allein beim Anhören klar wird, wie genau welche Töne, Sounds und Arrangements dastehen, was beiden einen ähnlichen Ruf eines "sinnlichen und intellektuellen Vergnügen" beschert hatte. Beide wollen natürlich nicht nur mit musikhistorischen Aufklebern zugekleistert werden und sind sich doch ihrer eigenen Sozialisationen und Rezeptionen so sehr bewußt, daß die Gespräche darüber nicht im üblichen "unsere Einflüße" - Brei versumpfen, sondern echt auch Spaß gemacht haben.
Wieder kann sich darauf geeinigt werden, daß ein Sinn dieser Popkomm auch darin liegen kann, sich eben in solch einem Rahmen auch den Leuten präsentieren zu können, die wegen einem anderen Künstler gekommen sind und doch hoffentlich angenehm darüber überrascht sind, wie gut die verschiedenen Acts dann vielleicht unter guten Vorzeichen zusammen paßen. Kreidler nehmen sich ohne Baßisten Stefan Schneider, der am Tag zuvor noch mit To rococo rot auf der Bühne stand, Zeit für uns, so daß uns jetzt Detlef Weinrich (Sampler, Drummy, Platten und Stylophone), Thomas Klein (Schlagzeug, Perc.) und Andreas Reihse (Synth., PC, Sampler, Stylophone) gegenübersitzen:
Ich hatte nach eurem Konzert in Frankfurt die Gelegenheit, euch zu beobachten, wie Ihr bei einem ziemlich gegensätzlichen Konzert zu eurem - Workshop im Studiclub - mit ähnlich offenem Mund wie ich dastandet. Im Nachhinein waren das für mich relative Extreme: Ordnung und Struktur bei euch, kreatives Chaos bei Workshop. Beneidet Ihr manchmal Bands wie W., bei denen relativ viel Raum für Improvisation gelaßen wird und somit auch besser aufs Publikum eingegangen werden kann?
Detlef (D): Gute Frage. Das hatte eigentlich schon bei Nicolette angefangen, die nach uns spielte, daß ich mir bereits dachte, daß das wohl wahnsinnig geil ist, wenn da eine Person vorne steht, die eine solche Präsenz hat. Kai Althoff von Workshop hat mich dann wirklich umgehauen. Das war das beste Konzert, das ich gesehen hatte - glaube ich. Uns dagegen damals eher traurig, klar. Wenn wir drinnen auf derselben Bühne gespielt hätten, wär's natürlich besser gewesen. Da wäre mehr Nähe dagewesen und ein Vergleich wäre dann auch spannender gewesen. Ich will das aber auch gar nicht sein, was Workshop machen. Keiner von uns könnte das - weder ist einer von uns so charismatisch wie Kai Althoff, noch versuchen wir, da so ein 70er Jahre Modell wiederzubeleben, was sie wirklich perfekt gemacht haben. Aber für den eigenen Ausdruck intereßiert mich Improvisation gar nicht. Zu denken hat es mir schon gegeben, weil ich die Platte dagegen eher schlecht fand. Wir hatten jedoch auch schon Konzerte, die nicht soweit entfernt waren, von dem was Workshop gemacht hatten, aber es ist oft ein Problem, ein Publikum aus der Lethargie rauszuholen. Da muß schon eine gewiße Spannung vorher da sein, aber die bricht dann halt oft auch schnell zusammen.
Thomas (T): Das ist halt so ein kritischer Punkt. Ich fand das Konzert von Workshop spannend, weil da das Publikum über einen Punkt hinaus gebracht wurde, den man als Band oft fürchtet, bei dem man sich dann überlegt, ob man es wirklich so weit treiben soll.
Andreas (A): Wir hatten ja auch eine Sicherheitsabgrenzung, die Workshop auf kleiner Bühne nicht hatten, wodurch das Konzert auch viel unmittelbarer wurde. Da gab es ja fast keine Distanz zum Publikum und trotzdem ist nichts negatives paßiert, weil die Leute einfach viel zu gebannt waren.
T: Ich glaube auch, daß sowas auch viel an der Clubatmosphäre liegt, in der wir ja auch schon Konzerte hatten, die ganz anders verliefen und wo die Atmosphäre berauschend war. Trotzdem haben wir dann natürlich aber auch nicht solche Leerstellen, in denen dann mal 10 Minuten nichts paßiert, und alle stehen dann halt auf der Bühne oder laufen irgendwie rum.
Um jetzt nochmal auf meine Frage zurückzukommen, seid Ihr neidisch auf so ein eher freies Konzept?
D: Nee - wir haben das ja auch schon ganz anders ausprobiert, mit viel offenerem Modell. Viel mit Leuten aus Düsseldorf, auch so Spoken Word Sachen. Natascha, oder was jetzt geplant ist mit Blumfeld, wenn es klappt. Die Frage ist, ob da dann überhaupt noch was rüberkommt, weil man ja mit offenerem Modell auch für alle möglichen Leute zugänglich wird, wobei man dann viel zu oft wieder in Schubladen gesteckt wird, worauf ich keinen Bock mehr hab. Unsere Musik hat sich einfach dahin entwickelt, daß das ein bißchen strenger geworden ist, was uns, glaube ich , auch ganz gut bekommt.
T: Dann ist ja bei Workshop auch noch wichtig, daß da Strukturen greifen, die über das musikalische weit hinaus gehen. Daß die sich seit der Kindheit kennen und persönliche Sachen auch eine andere Rolle spielen als bei uns.
Ich kenne viele Architektur- oder Designstudenten, die eure Musik so klaße finden, weil sie so schön "vernünftig" ausgedacht und designt ist. Ist das für euch ein Kompliment?
D: Na ja, so ausgedacht ist das ja gar nicht - da muß man nur die Platten vor der "Weekend" hören, die was ganz anderes waren, und die nächste Platte wird wieder anders. Das ist halt jetzt so gekommen, daß das so stimmig war, mit dem Cover zusammengepaßt hat und damit wohl viel von dem getroffen hat, was manche Leute im Moment intereßiert, wo so ein ästhetischer Punkt getroffen wurde, was man oft aber erst hinterher merkt. Die Sache mit der Vernunft hat eher was mit haushalten zu tun. Es wird soviel Scheiß gemacht, da kann man doch auch ein bißchen vorsichtig sein. Das ist doch nichts negatives.
Hat sich in eurem näherem Umfeld mit mehr Erfolg und auch einer weiteren Orientierung nach außen etwas verändert?
D: Wir sind in Düsseldorf unbeliebter geworden und in allen anderen Städten beliebter.
A: Das ist halt so ein Nachteil in Düsseldorf. Früher haben wir im Kuhstall mit schrecklichem Sound gespielt, und die Leute fanden es toll.
D: Ja, so ne "Nähe und klein dabei bleiben", so ein typischer Indiegedanke, der mir echt auf den Wecker geht.
A: Es ist halt so einfach, für deinen eigenen Stammtisch zu spielen.
Ihr spielt jetzt aber trotzdem in Düsseldorf bei dieser "Künstler der Stadt" - Veranstaltung. Werdet Ihr da dann mit Eiern beworfen?
D: Wir hatten uns das auch schwer überlegt. Eier gibt es trotzdem, glaube ich, nicht. Ich weiß auch nicht, woher das kam - auf jeden Fall hieß es irgendwann einmal :"Ihr seid arrogant geworden." Manchmal weiß man ja auch wirklich nicht, ob man es nicht auch wird - es ist halt soo viel in jedem Käseblatt über uns geschrieben worden. Sachen, bei denen Du mißverstanden wirst ,was dann echt auch weh tut. Zu Düsseldorf kann man noch sagen, daß wir da ziemlich viel mit verschiedenen Leuten versucht hatten, wobei dann doch relativ wenig zurück kam. Wir haben da sicher auch keine Distinktionßpielchen gemacht, ganz im Gegenteil. Dann macht man halt sein eigenes Ding und ist dann auch nicht mehr an so Sachen interessiert oder dann über sowas wie die Remixplatte, wo man dann auch Leute wie Lan aus einer Ecke vorholt, die sich sonst schon so eher im a-musik Umfeld bewegen und bekannt sind. Wenn dann über uns noch mal zu ganz anderen Leuten Zugang gefunden wird, sollte man uns das auch anrechnen. Und es stimmt schon, daß sich seitdem in Düsseldorf jetzt auch mehr tut - ohne da eingebildet klingen zu wollen.
Bekommt Ihr irgendwelche Reaktionen aus den U.S.A.?
T: Nachdem wir mit Crooklyn Dub Consortium in Marburg gespielt hatten, meinten die, wir müßten unbedingt in einem Club in New York spielen.
A: Wir wißen halt, daß unsere Platte überall steht und wir auch mal in einem Laden in Chicago Platte des Monats waren.
D: Es ist trotzdem noch weit weg. Was Konkretes kam da noch nicht. Aber der Gig mit Crooklyn Dub Consortium war schon sehr Klaße, auch weil es für uns gegenseitig wohl eher ungewöhnlich war, was wir gemacht haben. Ansonsten war das sicher mein bestes Live Dub-Erlebnis bisher.
Wer war von euch am Neubauten Remix beteiligt.
Kreidler: Waren wir alle zusammen.
Hat das euch deshalb Spaß gemacht , weil die Neubauten auch ein Stück zu eurer Musiksozialisation gehören?
A: Bei mir schon. So '83 mit "Kollaps" hab' ich angefangen, Musik zu machen, obwohl ich heute mit Blixa weniger anfangen kann.
Wollt Ihr sowas öfter machen? Es wird auch einen Kante Remix geben.
D: Den haben Andreas und ich gemacht. Wenn es sich anbietet und es für uns OK ist, dann schon, aber es gab da schon auch ein paar Probleme. Remixen ist nicht einfach, und mit Texten umzugehen finde ich das schwierigste überhaupt.
A: Wir überlegen uns das schon grundsätzlich, warum man sowas überhaupt macht und welche Kriterien dann entscheiden, ob wir sowas machen oder nicht.
Hat man dann nicht auch so Überlegungen wie "das spare ich mir lieber für was eigenes auf"?
D: Oh ja!
A: Das Problem bei dem Neubauten Remix ist halt, daß Blixa den Scheiße fand und von 7 Minuten auf 2.40 runtergekürzt hat. Sowas ist natürlich bitter und traurig.
Wäre es für euch eine Horrorvorstellung, in 10 Jahren auf einer Compilation mit Jimi Tenor und Mouse on Mars verkauft zu werden?
A: Als was denn? Post-Post...??
D: Kann ich schwer sagen.
T: Jetzt finden wir das ja auch OK, mit denen zu spielen.
Von Drum and Bass; wird ja oft gesagt, es wäre für viele die Quersumme aller musikalischen Erfahrungen und Sozialisationen. Sagt Ihr das auch zu eurer Musik?
A: Irgendwie ist das ja immer so. Aber es ist ja auch so, daß Du nicht nur von Musik beeinflußt wirst, sondern auch von ganz anderen Sachen: Literatur, Film, Kunst.
D: So genau will ich das auch gar nicht wissen, wo das alles herkommt. Viele Sachen passieren einfach so, und nach nem Jahr und gutem Anhören weiß man das auf einmal, was das alles ist oder ob man in Tradition guter Düsseldorfer Bands was fortgesetzt hat. Vorgenommen hat man sich's nicht, aber vielleicht paßierts und die Leute bestimmen den Kontext. Ich finde das eine schwierige Sache.
Was kommt als nächstes?
Kreidler: Eine Tournee im November in Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien und London und dann ins Studio für die neue Platte.
Vielen Dank.
Thomas Venker, Solojev, Harakiri, D 1997
Die Kritikerzunft tut sich schwer. Can und Kraftwerk, NEU! und La Düsseldorf, Mouse On Mars und Aphex Twin: sie alle (und andere) werden herbeizitiert, wenn es darum geht, die musikalischen Eckpfeiler zu bestimmen, zwischen denen sich die Düsseldorfer Kapelle Kreidler mit ihren semi-elektronischen Instrumentals bewegt.
Einig ist sich die Journaille indes mit Richard Dorfmeister vom Wiener DJ/Produzenten-Duo Kruder & Dorfmeister: Kreidlers CD-Debüt "Weekend" (rezensiert in KEYBOARDS 1/97) war eines der bemerkenswertesten Alben des Jahres 1996 - ein ziemlich geniales Gemauschel zwischen gut abgehangenen Ambient-Electronics und handgespielten Hypnose-Grooves. Ist das noch TripHop oder schon der Pop des nächsten Jahrtausends?
Im Roundtable-Gespräch mit Andreas Reihse (Synthesizer, Sampler, PC, Stylophone), Detlef Weinrich (Sampler, Drumcomputer, Plattenspieler, Stylophone), Stefan Schneider (Baß) und Thomas Klein (Schlagzeug, Perkußion) stellt sich heraus, daß es den Beteiligten nicht um Stil-Definitionen geht und noch weniger um die Erfindung eines marketingtauglichen Begriffs für einen bislang unbeschriebenen, weil so noch nie gehörten Stil-Mix. "Es hat bei uns eher", denkt Schneider laut, "mit einer bestimmten Haltung zu tun: daß man weiß, was es bisher an Musik gegeben hat, und daß man versucht, einen neuen Ansatz zu finden."
Der Ansatz, den Kreidler mit anderen, gleichfalls auf Dezenz und Understatement setzenden Pop-Innovatoren wie dem in KEYBOARDS 11/96 porträtierten Bionaut teilt, wird bereits deutlich, als sich das Quartett zum Fototermin im KEYBOARDS-Studio einfindet. "Kein Posing!" wehrt Schlagzeuger Klein die Offerte des Kameramanns ab, die Formation in möglichst fotogenen Posen abzulichten. Aber KISS in concert, hört der Reporter kurz darauf aus demselben Munde, seien letzthin "einfach unglaublich" gewesen. Bei Kreidler den Takt halten und (heimlich?) in die Leichenhalle der ultimativen Hardrock-Poseure der Siebziger schleichen: wie passt das zusammen? Noch eine Frage, die beantwortet werden will. Fangen wir mal an...
text: albrecht piltz, fotos: dieter stork, Keyboards D 2 1997
KREIDLER stammen aus Düsseldorf und schaffen es, scheinbar übermächtige musikalische Referenzen wie CAN, Kraftwerk oder La Düsseldorf für sich zu verwerten, ohne sich von diesen allzusehr vereinnehmen zu lassen, wie man selber sagt "bremst man diese aus".
KREIDLER verstehen sich als Pop-Group im besten Sinne, geschult an Bezugssystemen aus Medientheorie und DJ-Culture, ohne diese gar zu ernst zu nehmen. Es wird reflektiert und neu eingeordnet und natürlich entertained.
Die Tracks werden gespielt als wären die Musiker Samples. Die Erkenntnis, das die Zukunft des Pop in rein instrumentalen Parts liegen könnte, die als Photos von Photos funktionieren, soll heißen, mögliche Bezüge auf gewesenes werden abgebildet und gebrochen, so das sie, kaum noch kenntlich, nur für scheinbar Eingeweihte sichtbar werden. Was jetzt nicht heißen soll, daß die Musik KREIDLERS nur in elitären Zirkeln ausgebuffter Musikfreaks zu goutieren wäre. Ganz im Gegenteil, ihre Platte "Weekend" ist eines der ausgeschlafensten und popigsten Releases des letzten Jahres. Obwohl zu lesen war, daß das Ganze zum Kiffen zu kompliziert sei und tanzen könne man danach auch nicht. Beides geht, sehr gut sogar, vertraut mir.
Wer beim Hören dieses Werkes an TORTOISE denkt, liegt gar nicht mal so verkehrt, werden KREIDLER gelegentlich als deutsches Pendant zu den genialen Amis gehandelt. Wie auch TORTOISE agieren KREIDLER äußerst geschickt an der Schnittstelle zwischen elektronischer und analoger Musik und setzen vermeintlich Gewagtes um, ohne dabei angestrengt experimentell zu wirken.
"Natürlich denken wir über die Musik nach, im Proberaum wird auch schon mal diskutiert, wie das jetzt klingen sollte und wie nicht, aber am Ende macht man es einfach."
Gegründet wurden KREIDLER bei einer Spoken Word Veranstaltung mit DJ Sport, aus den Resten der Avant-Pop-Band Deux Baleines Blanches. Kennt keiner von euch? Ist nicht so schlimm. Alsbald wurden die Vocals links liegen gelassen und der Klang der Instrumente genauer betrachtet. Kollaborationen mit einem Pariser Tapelabel und den linksradikalen Netzwerkexperimentalisten TRESPASSERS W beförderten KREIDLER in ein Spannungsfeld aus Popverständnis und politisch motiviertem Dekonstrukivismus. Aus besagtem Spannungsfeld bezieht die Band auch heute noch einen Teil ihrer Energie. Resistent gegenüber bedeutungslosem Ambient und allerlei Rockismem, wie auch der sich ständig überstürzenden Suche nach den unbedingt neusten Sounds sind sie eh.(...) Kay, Conne Island D 1997 |
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