Stadt Menschen. Ein Mittagessen mit... Detlef Weinrich.
Das Interview im Kiki Sushi.
Wie immer erscheine ich am Treffpunkt ein paar Minuten früher, um noch einmal Unterlagen und Fragen für den für 13 Uhr anberaumten Termin durchzugehen. Zeit, die mir Detlef Weinrich nicht lässt. Meine Verabredung erreicht die spanische Cafébar an der Oststraße exakt gleichzeitig. Ein derart pünktliches Erscheinen hätte ich von jemanden, dessen Bandprojekt "Kreidler" von den Kollegen der Fachpresse gerne in die Schublade "elitäre Pop- Musik" geschoben wird und der mit dem "Salon des Amateurs" den kredibilsten aller Düsseldorfer Clubs der Gegenwart betreibt, nicht erwartet. Eher ein prätentiöses 20-Minuten- Zu-Spät-Kommen - schön, wenn eigene Vorurteile gesprengt werden. Herr Weinrich sagt, er sei gerade erst aufgestanden, japanisch sei sein Lieblingsessen und schlägt vor, eine neue Sushi-Bar in der Oststraße zu besuchen. Schon bei den ersten Takten hört man heraus, dass dieser Mann kein Düsseldorfer ist. Ein warmer Akzent hinter dem Hochdeutsch verrät seine Herkunft aus dem Südbadischen. Ich mag es, wenn man seine Wurzeln sprachlich nicht krampfhaft zu verleugnen sucht - Herr Weinrich geht eindeutig mit einem Sympathievorsprung ins Gespräch.
Anfang der 90er Jahre kam er nach Düsseldorf, weil seine Freundin bei der LTU angeheuert hat. Schon im Süden war er künstlerisch aktiv, der Gang zur Düsseldorfer Akademie lag nahe. Dort begegnete er auch seinen späteren Kollegen von Kreidler, die seine Plattensammlung und eine selbst entworfene DJ-Installation beeindruckten. 1994 wird die Band gegründet, und es geht schnell voran: Platten, die von den wichtigen Kritikern geliebt werden, Welttournee, Unterstützung vom Goetheinstitut, mit Gursky bei seiner Moma- Show, etliche Kollaborationen, Remixe. Die meisten Kreidler-Mitglieder haben auch Solo- Projekte:Detlef Weinrichs heißt "Tolouse Low Trax", unter diesem Namen ist er auch als DJ aktiv. 2004 erscheint die vorerst letzte Kreidler- Platte, und mit Eröffnung vom "Salon des Amateurs" beginnt ein neues Kapitel: "Ich war in Clubs weltweit Gast und weiß, was man von einem guten Gastgeber erwartet. Im Salon wollen wir Künstlern aus der ganzen Welt eine tolle Plattform bieten." Dass das gelingt und der Salon international auf Augenhöhe mit Clubs in Tokyo oder Berlin wahrgenommen wird, tut der Stadt richtig gut.
Auch Detlef Weinrichs persönliches Bekenntnis zu Düsseldorf ist klar: "Es gibt hier schon schöne Sachen: Phillip Maiburg und Open Source, die Events in der Tonhalle, Daniel Fritschi, Loco Dice - das ist schon toll an der Stadt, dass so viele hier etwas bewegen. Und dass Düsseldorf nach außen dann immer noch provinziell und verschlafen wirkt, ist doch auch ganz schön. Ich bin gerne hier! Düsseldorf ist gut. Die Stadt ist so unaufdringlich." Ganz schön sympathisch, der Herr Weinrich.
Detlef Weinrich gehört seit 2004 zum Betreiberkollektiv vom Salon des Amateurs. Scheut nicht das direkte Gespräch, wenngleich den Kamerablick.
Unser Autor Uwe Hasenfuß ist Leiter der Düsseldorfer Prinz-Redaktion und betreibt die Agentur Labor West. Mit Detlef Weinrich war er Mittagessen im: 3Kiki Sushi Oststr. 65, D-Mitte,Tel. 38 83 98 54, tägl. 12-22 Uhr kikusushi.de
ZUR PERSON: Detlef Weinrich wurde 1966 in Bad Säckingen geboren. Seit 1994 ist er Mitglied von Kreidler. Für das Bandprojekt gestaltete er auch Cover und realisierte Videos. Eine neue Kreidler-Platte ist in Vorbereitung. Seit 2004 gehört er zum Betreiberkollektiv vom Salon des Amateurs.Dort sorgt er als Tolouse Low Trax für den guten Takt. myspace.com/tolouselowtrax Uwe Hasenfuß, Prinz, D 2008
Ihr Name beginnt mit K, sie machen elektronische Musik, kommen aus Düsseldorf, stammen aus dem Umfeld der Kunstakademie und sind nicht für Tracks wie "Autobahn" verantwortlich: Seit 1994 ziehen Kreidler die Aufmerksamkeit des internationalen Feuilletons auf sich. Beim Open-Source-Festival am 23. August in Lörick haben sich die drei Klangzauberer mit der geheimnisvollen Aura zu einem ihrer seltenen Live-Auftritte angekündigt.
Der Durchbruch im Jahr 1998
Als sich Thomas Klein, Andreas Reihse, Detlef Weinrich und Stefan Schneider unter dem Namen der einstigen Stuttgarter Motorenwerke zusammentaten, ahnte wohl niemand, dass dies die Geburtstunde eines deutschen Exportschlagers in Sachen elektronische Musik war. Von Anfang an pflegen Kreidler das Experiment und erweitern konsequent ihren eigenen Begriff von Kunst: Sie mischen althergebrachte und neue Klangerzeugung, wobei die visuelle Umsetzung ihrer schlicht-schönen Soundwelten hohe Beachtung auf zahlreichen Videofestivals findet.
Die Debüt-LP "Weekend" zieht Einladungen zu Remixarbeiten für Künstler wie die Einstürzenden Neubauten und Shantel nach sich. Der endgültige Durchbruch folgt mit dem 1998er Album "Appearance and The Park". Die Stücke sind poppiger, eingängiger geworden. Die Single "Coldness" trägt die Melancholie aus Kraftwerks großem Hit "Das Model" vom Catwalk zurück in den urbanen Schaufensterwald und bewegt Depeche-Mode-Entdecker Daniel Miller zu einem Remix, der den Weg in die Dauerschleife des Musikfernsehens findet.
Als Bassist Stefan Schneider Kreidler verlässt, um fortan die Berliner Gebrüder Lippok bei To Rococo Rot zu unterstützen und sich der Band Music AM anzuschließen, wird der Sound des Trios zunehmend elektronischer. Kreidler begeistern die Massen auf großen Musikfestivals wie dem dänischen Roskilde oder dem Sonar in Barcelona.
Die Fixpunkte ihres Schaffens bleiben Kunst und Literatur: 2001 spielen sie zur Eröffnung einer Andreas-Gursky-Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art. Die Mensch-Maschine, nach der Kreidler 2002 eine Videoinstallation und ein Album benennen, ist die mechanische Frau aus dem Roman "L'Eve Future" (zu deutsch: "Die künftige Eva") von Auguste Villiers de l’Isle Adam aus dem 19. Jahrhundert. 2004 lassen sie im Nachfolgealbum "Eve Future Recall" einen digitalen Don Quixote durch die Mancha traben ("Cervantes").
Wie klingen sie heute?
Nach ausgiebigen Soloprojekten und Kooperationen mit befreundeten Künstlern, trafen sich Kreidler vor kurzem zu neuen Aufnahmen in der Eifel. Zu hören war das aktuelle Material allerdings noch nirgendwo, nicht mal gerüchtweise war bislang zu erfahren, wie Kreidler 2008 klingen.
Spannend bleibt also die Frage, welche Facette seines Könnens das Trio auf der Hauptbühne des Open Source-Festivals zeigen wird? Die Schönheit der Musik liegt im Wandel. Michael Wenzel, Rheinische Post, 15.08.08 Stussy (1),
Rainer Rudolf (2,3,4).
(...) Altmeister der ganz anderen Art standen am Nachmittag auf der großen Bühne. Kreidler spielen seit vierzehn Jahren elektronische Musik, und ihr gelassener, aber mit großer Geste vorgetragener Instrumentalsound ließ Vieles um sie herum ein bisschen infantil erscheinen. Die Fans, darunter auch Fotograf Andreas Gursky und Kunstsammlerin Julia Stoschek, erlebten fast eine neue Version von Kreidler, rhythmischer angelegt als zuvor und mit Bassist Alex noch mit zusätzlichem Groove ausgestattet.(...)
Thomas Hag, NRZ Der Westen Post, 25.08.08
Der schönste Moment dieses Tages war der, als Andreas Gursky und seine Freundin Julia Stoschek vorn an der Bühne standen und ihre Körper in die sanft brandende Musik warfen. Der teuerste Fotokünstler der Welt und die Museumsbesitzerin wurden umringt von einem hummelnden Haufen hingebungsbereiter Mädchen, die Gursky zwar nicht kannten, die aber dennoch Spaß hatten, ihre langen T-Shirts als Kleidchen trugen, in bunten Turnschuhen von Nike steckten und die Haare mit dicken Stirnbändern in Neonfarben bändigten. So war das beim Open-Source-Festival im Freibad in Düsseldorf Lörick: unbeschwert.
Gursky war gekommen, weil er Kreidler sehen wollte, und tatsächlich spielte die zum Quartett erweiterte Band aus dem Kunstakademie-Umfeld ein faszinierendes Konzert. Die langen elektronischen Stücke waren flächiger als gewohnt, klangen warm und wurden immer mal wieder von einem Schlagzeug heftig nach vorne getrommelt, wie man das von den Platten der Krautrock-Band NEU! aus den 1970ern kennt.
Seit mehreren Jahren war Kreidler nicht mehr aufgetreten, und nicht nur Gursky wirkte sehr glücklich darüber, dass die Gruppe wieder da ist. Eine neue Platte, hörte man, sei in Arbeit.
Zunächst weniger glücklich waren die Jungmädchen und ihre Freunde. Ihr Idol, die französische Sängerin Uffie, hatte kurzfristig abgesagt, nun geriet die Fete in Gefahr. Aber sie wurden getröstet, DJ Feadz war aus Paris gekommen. Dessen Platten erscheinen wie die von Uffie beim Label Ed Banger, und sie klingen - wenn überhaupt - nur in Nuancen anders, nämlich schockbunt, mit vielen Sirenen drin und deftigen Beats, kreischend künstlich und ultralaut, genau richtig also fürs Feiern im Freibad.
Zwei Bühnen gab es, dazwischen die übliche Festival-Folklore aus Verkaufsstand und Würstchenbude, und wer gerade nicht hören mochte, der lustwandelte oder picknickte im Gras. Rund 2500 Leute mögen dort gewesen sein, leider nur 2500, und nicht wenige wurden im Kinderwagen geschoben. Heiter ging es zu, und selbst als es am Nachmittag, während des Auftritts des japanischen Duos Subtle, schien, als würde das Gelände im Regen ertrinken, spürte man eine traumhafte Lockerheit: Bauen wir eben eine Arche und retten die Musik. So ungefähr. Bald schien wieder die Sonne.
Am Ende des Tages, bevor man per Bus-Shuttle zu den DJs auf die Tanzflächen in die Böhlerwerke gefahren wurde, traten die Junior Boys aus Kanada auf, die prominentesten Künstler hier. Das ist sehr süßer Elektropop mit einer Jungsstimme, die beinahe so schön ist wie die von Morten Harket, dem Sänger von a-ha. Es war schon ein bisschen kalt geworden, über den See blies der Herbst, und wer konnte, der ließ sich umarmen. Die anderen tanzten einfach, warfen die Hände in die Luft. Die Nacht war jung, der Morgen eine Verheißung. Philipp Holstein, Rheinische Post, 25.08.08 Thea Djordjadze (1),
Rainer Rudolf (2). |
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